Tausend Jahre lang - beginnend etwa um 400 A.D. - hatte man in der Christlichen Kunst den Himmel und teilweise den gesamten Hintergrund in Bildern und Mosaiken golden dargestellt.Das Blau des Himmels entsprach nicht der erlebten Wirklichkeit. Es konnte mit der mondänen Farbigkeit nicht die allgegenwärtige und allumfassende Herrlichkeit und Maßlosigkeit Gottes dargestellt werden, die sich im Bildraum auszubreiten suchte.Bereits tausend Jahre zuvor hatte die Malerei in Europa eine mehr als fotorealistische Qualität erreicht, um die Welt darzustellen und stieß jetzt offenbar an ihre Grenzen. Zugunsten der überwältigenden Präsenz Gottes wurde das Weltliche fast auf ein Schattendasein reduziert. Räumliche Tiefe architektonischer Strukturen, detaillierte Landschaft und Vegetation, persönliche Gesichtszüge und Körperbau, formgebende Schattierungen von Gewändern oder anderen Gegenständen treten vor ihr in den Hintergrund. Als abstraktes Gold überstrahlt in diesen Bildern die allgegenwärtige Realität Gottes die naturalistische Wirklichkeit.Es verschränken sich in den Darstellungen zwei grundverschiedene Wirklichkeitsebenen.Ihre Rivalität spiegelt sich in den malerischen Aspekten der Bilder wider.Auf der einen Ebene des Bildes illustriert die Malerei mit Hilfe von Farbe und Zeichen modellhaft die säkulare Welt von Mensch und Natur. Die andere Ebene des Bildes ist eine unmodulierte, abstrakte Fläche, wie sie in der Malerei erst wieder anderthalb Jahrtausende später mit der Moderne zu finden ist. Dabei besteht dieser Teil des Bildes noch nicht einmal mehr aus Farbe. Der Bruch ist radikal. Die göttliche Ebene ist greifbare Wirklichkeit, stoffliche Materie. Sie besteht aus echtem Gold, der materialistischsten Substanz der säkularen Welt schlechthin. Sie wird hier dazu benutzt, die unantastbare, transzendente Präsenz Gottes darzustellen, überall dort wo das Darstellbare an seine Grenzen trifft. Diese Kombination und gleichzeitige Konkurrenz von Farbe und Material ist auf der inhaltlichen, wie auf der gestalterischen Ebene in höchstem Maße faszinierend. In indirektem Licht sieht der Goldgrund eher ockerfarben und monochromatisch flach aus, während die Figuren wie belebte Collagen vor dem Ocker schweben. Ändert der Betrachter seinen Standpunkt, so treten die Figuren wie dunkle Schatten in den Hintergrund und das Licht wird von der Brillianz des Goldes lebhaft in den Raum zurückgestrahlt. Durch diese zwei Wahrnehmungsmöglichkeiten von Farbe und Material wird aus dem Bild faktisch ein Objekt, dessen Lesweise sich mit dem Standpunkt des Betrachters ändert. In meinen bisherigen künstlerischen Arbeiten spielen vom Betrachter abhängige Sichtweisen eine elementare Rolle (siehe Katalog: abstraktes Bild - Matratze - Skulptur). Dem Thema Los Angeles habe ich mich auf ähnliche Weise genähert und mich dabei von der oben beschriebenen Ambivalenz und der Ästhetik der byzantinischen Ikonographie leiten lassen, da mir diese in kurioser Weise auf Los Angeles anwendbar zu sein scheinen. Fällt der Stadtname "Los Angeles, California", so assoziiere ich zwei übergeordnete Bilder mit diesem Ort: Erstens das Bild der Stadt an sich, ihre Figur sozusagen, der rosa ausufernde Fleck auf der Landkarte, Extremfall westlicher Zivilisation und Glaubenszentrum der freien Marktwirtschaft am westlichen Rande der ersten Welt. Ihr Puls ist das "Positive Thinking" seiner Bewohner, die den "American Dream" erfüllt sehen wollen. Zweitens die Umgebung von Los Angeles, der Hintergrund, "The Golden State", ein Land von überwältigender, natürlicher Schönheit, Vielfalt und Großzügigkeit - Meer, Wüste, Wälder und Berge und alles getränkt in Sonnenschein - der paradiesische Glanz, der alles inspiriert. Die Dynamik zwischen Vordergrund und Hintergrund, zwischen Wissen und Glauben, zwischen Kultur und Natur ist es, was mich interessiert. In der Vermischung dieser Aspekte scheint der Charakter von Los Angeles zu liegen: spätkapitalistischer Großstadtmoloch im Sonnenschein mit Kolibris und Swimmingpools. Ähnlich wie im dunklen Mittelalter der Mangel an Aufklärung zur Weltflucht in den blinden Glauben geführt haben mag, ist heute im grellen Licht der abgeklärten Realität die Sehnsucht nach Traumwelten begründet, die Privatparadiese und Hollywoodfilme gedeihen läßt. Das Rivalisieren zweier Wirklichkeiten ist auch die Stelle, an der ich angesetzt habe, um mit Hilfe der zu Beginn beschriebenen Repräsentationsformen der byzantinischen Ikonographie und der gotischen Goldgrundmalerei, die Dualität von Los Angeles in Bilder umzusetzen. Ausgangsmaterial hierzu waren dokumentarische Schnappschüsse, die im Vorbeifahren, in einer Art "Drive-By-Shooting"-Manier entstanden sind und anschließend aussortiert und überarbeitet wurden. Der formelle Brückenschlag zwischen traditionellen und neueren Medien, zwischen statischem Einbrennen und flüssigem Pinselstrich ist mir bei diesen Bildern wichtig. Auf den "Golden State of Mind" Bildern schwebt die amerikanische Ikone -das Automobil- durch eine Welt, in der all das durch Gold ausgeblendet wurde, was unerwünscht war: Stau, Müll, Armut, Betonwüste oder Schilderwald. Alles verschwindet, nichts stört. Selbst die grellen Farben der Realität wurden auf den Bildern abgedämpft. Als säße man gut gepolstert in seinem klimatisierten Chevy mit getönten Scheiben, air-freshener am Rückspiegel und einem angenehmen Beat aus der Anlage und ließe sich durch die Welt tragen. Erstaunlicherweise entsprechen die Übermalungen viel mehr den Empfindungen und Wahrnehmungen von Los Angeles, California, als die zugrundeliegenden Dokumentarfotos. Hier ist das Gold nicht dazu da, die unsichtbare Göttlichkeit darzustellen, sondern die Sichtbarkeit der Realität zu verdecken, die das "California Dreaming" eintrüben könnte.